Im Schulalltag gibt es vieles, das Kinder ablenkt: Lärm im Klassenzimmer, viele neue Eindrücke oder einfach ein langer Tag. Da ist es normal, dass die Konzentration manchmal nachlässt.
Wir haben mit der Ergotherapeutin Dilara Can gesprochen – sie arbeitet seit vielen Jahren mit Kindern und ist selbst Mutter von zwei. Uns hat sie erzählt, warum Konzentrationsprobleme auftauchen und was wir tun können, um die Kinder zu unterstützen.
1. Was verstehst du unter Konzentrationsproblemen bei Kindern?
Wie der Name schon sagt – „Konzentrationsproblem“ ist erstmal nur die Schwierigkeit sich auf etwas zu fokussieren. Wenn ein Kind seine Aufmerksamkeit also nicht über eine angemessene Zeit auf eine Aufgabe oder Aktivität richten und aufrecht erhalten kann.
2. Gibt es typische Altersphasen in den Konzentrationsprobleme auftreten?
Grundsätzlich können Konzentrationsprobleme nicht auf ein bestimmtes Alter reduziert werden. Entscheidend ist das Verhältnis zwischen der Anforderung der Situation und den Fähigkeiten des Kindes.
Aber: besonders in der Schule steigen Anforderungen häufig an. Ob zum Schuleintritt oder Wechsel auf eine weiterführende Schule, muss das Kind vieles Neues lernen. An diese neuen Anforderungen muss sich das Kind erstmal anpassen. Oft ist das Lernen selbstständiger Arbeit ein Hindernis bei der Konzentration.
Im Idealfall sollte sich nach einer Zeit die Konzentrationsfähigkeit des Kindes den Anforderungen anpassen. Sorgen müsst ihr euch also erst machen, wenn das Kind langfristig Probleme hat, sich zu konzentrieren.
Auch die Pubertät ist eine kritische Phase. Hier passieren im Gehirn ganz komplexe Prozesse, dass auch die Konzentrationsleitung des Kindes beeinflussen kann.
3. Welche Rolle spielen Bewegung und Motorik in der Konzentration?
Bewegung und Motorik spielen eine sehr wichtige Rolle, da sie die Grundlage vieler kognitiver Prozesse ist. Zum einen die neurologische Aktivierung: Bewegung steigert die Wachheit und damit überhaupt die Fähigkeit Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung des Gehirns werden angeregt.
Außerdem wird die Verarbeitung von Sinnesreizen unterstützt. Wenn die Verarbeitung von Sinnen gut funktioniert, wird weniger Energie für das Filtern von äußeren Reizen gebraucht. So ist das Kind weniger überreizt und hat mehr Energie für die Aufgabe.
4. Welche Rolle spielen Bildschirmzeit und Schlaf in der Konzentration?
Schlaf spielt eine große Rolle - wenig Schlaf führt zu schneller Reizbarkeit, verminderte Aufmerksamkeit und fehlende Ausdauer. Ein erholter und ausreichender Schlaf ist die Grundvoraussetzung für Konzentration.
Bildschirmzeit beeinflusst die Konzentration in mehrfacher Hinsicht - viele digitale Inhalte arbeiten mit schnellen Reizwechsel und das Gehirn des Kindes kann schnell Reizüberflutet sein. Das Gehirn ist dann langfristig übermüdet von den Reizen, die nicht richtig aufgenommen und verarbeitet werden können. Bei Überkonsum von Medien gewöhnt sich das Gehirn an die schnellen Reize, so wird der Schulalltag zu Reizarm für das Kind. Dadurch haben Kinder oft Schwierigkeiten die Aufmerksamkeit auf etwas bestimmtes zu lenken und sich zu Konzentrieren.
Das ist aber auch ein ganz individuelles Thema und von den Fertigkeiten des Kindes abhängig. Grundsätzlich raten wir einen altersgerechten Umgang mit Medien und einem Maß zu finden. Dafür könnt ihr Beobachten, wie euer Kind auf verschiedene Medienzeiten reagiert und was am besten für euch funktioniert.
5. Wie können Eltern erkennen, ob es sich um normale Unruhe oder ein ernstzunehmendes Problem handelt?
Ob es sich um ein ernstes Problem handelt, merkt ihr als Eltern daran, wenn sich die Aufmerksamkeitsspanne wirklich über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Lebensbereichen auftritt - also nicht nur in der Schule oder Zuhause beim Lernen. Das Kind ist dann in seiner Produktivität und die Teilnahme am Alltag eingeschränkt, hat also bei der Ausführung von alltäglichen Aufgaben einen Nachteil.
Normale Unruhe tritt auch mal auf, wenn das Kind mal einen anstrengenden Tag hatte. Da ist es normal, dass das Kind mal etwas Pause braucht, bis es sich an die Hausaufgaben setzt. Gebt ihnen die Zeit, das Erlebte und die damit auftauchenden Emotionen zu verarbeiten und begleitet sie, soweit ihr könnt.
Wichtig ist, dass ihr auf die zeitliche Dauer des Zustands achtet.
6. Wann ratest du Eltern dazu, ergotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen?
Wenn eine langfristige Einschränkung im Alltag und in der Schule besteht. Da kann euch Ergotherapie helfen die Umgebung anzupassen, gemeinsam Strategien und Lösungen zu entwickeln, um die Konzentration wieder aufrecht zu erhalten. So kann das Kind in seiner Produktivität wieder Aufblühen.
7. Wie wichtig ist die individuelle Umgebung beim Lernen?
Die individuelle Umgebung ist beim Lernen enorm wichtig, da sie direkten Einfluss auf Ausdauer und Konzentration hat:
- Lichtverhältnisse unterstützen den Bio-Rhythmus und haben Einfluss auf die Wachheit – zu dunkle Beleuchtung kann Müde machen
- Sitzpositon und Arbeitshaltung: ein individuell angepasster Stuhl und Tisch verhindern Haltungsschmerz und motorische Unruhe. Eine stabile und ergonomische Sitzposition entlastet das Gehirn.
- Äußere Reize wie Lärm oder Unordnung können einen Einfluss auf Konzentration haben. Wenn die Reizverarbeitung gut funktioniert, kann das Kind unwichtige Reize ausblenden und wichtige gezielt aufnehmen.
Also gilt: Eine strukturierte Umgebung ohne Dauerlärm und visuelle Reize erleichtert die Konzentration. Wichtig ist, dass die Umgebung an das jeweilige Kind angepasst ist.
8. Was können Eltern bei Konzentrationsproblemen tun?
Es gibt einige Dinge, die euch im Alltag und beim Lernen unterstützen können. Ich fasse zusammen:
- Stabile aufrechte Sitzhaltung – weniger bewusste Anstrengung, bessere Konzentration
- Gute Lichtverhältnisse und ordentlicher Arbeitsplatz
- Medienkonsum – Reize vermindern
- Verschiedene Lerntypen ausprobieren - z.B. rhythmisches Klatschen!
- Professionelle Hilfe holen – bei langfristigen Schwierigkeiten hilft Ergotherapie
Konzentrationsprobleme sind oft normal und legen sich meist von selbst. Achtet aber auf die Dauer und Alltagseinschränkungen. Bewegung, guter Schlaf, wenig reize und ruhige Lernumgebung helfen. Wir bedanken uns bei Dilara Can für die wertvollen Tipps!